Weinkrimilesung mit begleitender Weinprobe beim Orden der Freunde des Pfeddersheimer Weins von und mit Dr. Andreas Wagner aus Essenheim.
Dieses Mal hatte sich der Vorstand des Ordens der Freunde des Pfeddersheimer Weins bezüglich der Gestaltung seines obligatorischen Weinkollegs etwas Besonderes einfallen lassen. Im Gegensatz zu früheren Veranstaltungen mit Barockmusik oder Weinkultur im Kontext mit der Wormser Geschichte gab es nun eine spannende und unterhaltsame Krimilesung mit dem weit über die Grenzen unserer Region bekannten Winzer, Historiker und Autor Dr. Andreas Wagner, der auch gleich die sieben Probenweine und den Begrüßungssekt aus seinem Weingut in Essenheim mitgebracht hatte, das er gemeinsam mit seinen beiden Brüdern bewirtschaftet.
Der Vorsitzende Günter Bleise konnte außer vielen Ordensmitgliedern auch zahlreiche Gäste begrüßen, die in das Pfeddersheimer Evangelische Gemeindehaus gekommen waren und sich auf einen kurzweiligen Abend freuten.
Ganz besonders begrüßte er seinen Vorgänger Herrmann Merck, den Pfeddersheimer Winzerborsch Marcel Beck und den Referent des Abends, Dr. Andreas Wagner. Die Zuhörer erfuhren nun einiges über dessen Leben und wie er nach seiner Studienzeit an der Uni Leipzig und der Karlsuniversität in Prag als Quereinsteiger in das elterliche Weingut nach Essenheim zurückkehrte.
In seiner rheinhessischen Heimat entstanden seine Weinkrimis, seine Bücher sind in das Genre Regionalkrimis einzuordnen. Das rheinhessische Hügelland, der Menschenschlag dort und vor allem der Wein gaben ihm die Ideen für seine Romane. Andreas Wagner ist verheiratet und hat vier Kinder. Zur Einstimmung seiner Lesung rezitierte der Referent aus Romanen des vor 200 Jahren geborenen Dichters Theodor Fontane, der obwohl zu seiner Zeit in Brandenburg kaum noch Wein angebaut wurde, doch auch ein leidenschaftlicher Weintrinker war. Nach dem ersten Probenpaar, nämlich ein 2017er Essenheimer „Jean“ Sauvignon blanc und eine 2018er Scheurebe trocken „Elsheimer Blume“, lauschten die Gäste gebannt der Geschichte vom Rüben-Rudi, der zum Leidwesen der Winzerkollegen oft mit seinem Motorrad betrunken durch die Wingert raste, bis ihm ein über den Weg gespanntes Drahtseil den Kopf abtrennte und sein Körper im Laufe der Zeit in einem Holunderbusch liegend von Füchsen und anderen Tieren verzehrt wurde. Eine weitere Geschichte handelte von einer „lebenden Gardine“, so nennt man in Essenheim ältere Damen, die hinter Fenstergardinen stehen um nicht gesehen zu werden. Jene ältere Dame also, wir nennen sie Karin Nebel, träumt von vergangenen glücklichen Tagen aus ihrem langen Leben, bis sie von einem Donnerschlag unsanft geweckt wird. Sie schlurft im Morgenmantel ans Hoftor auf die Straße, in der eine rote Brühe entlangfloss. Sie tauchte einen Finger hinein und roch daran. Aber nein, das war kein Blut, sondern Rotwein. Sie kanalisierte den Wein mit Putzlappen in ihren Hof und füllte bis zum Morgengrauen mit Eimern ihre Badewanne und andere Behältnisse mit dem Rotwein. Da dieser aber doch recht sauer war, versetzte sie ihn mit Zucker und Eiern. Und so konnte sie in den nächsten Jahren jedes Geburtstagskind mit ihrer eigenen Eierwein-Abfüllung beglücken. Zu verdanken hatte sie dies allerdings dem Umstand, dass junge Leute aus Schabernack einige Fässer mutwillig öffneten, sodass 40.000 Liter Rotwein durch das Dorf flossen. In der folgenden Pause probierten die Weinfreunde nun den Unterschied zwischen einem trockenen 2017er Riesling vom sandigen Löss und einem 2017er Riesling vom teritären Mergel, beide aus der Lage Essenheimer Teufelspfad. Weitere lustige Erzählungen befassten sich etwa über Winzer im Ruhestand, die sich mit dem Erwerb eines Traktors ihre Mobilität im Dorfleben sichern, weil ihre Enkel ihnen ihre Autoführerscheine weggenommen hatten, oder über gescheiterte Versuche von Winzerfrauen, die ihre Gatten zum Abnehmen motivieren wollten, anstatt Büchsenbratwurst gab es Müsli und Obst. Aber auch Geschichten in Verbindung des Glykol Skandals im Frühjahr 1985, der viele Krimis aus der Region inspirierte:
Warum wird jemand umgebracht? Aus Liebe, aus Hass, oder aus Gier? Die Gier spielte bei diesem Skandal sicherlich eine prägnante Rolle, das Image unserer guten Weine wurde durch die Panscherei auf Jahre zerstört. In dieser Zeit wollte niemand mehr liebliche Weine wie Ortega oder Gewürztraminer kaufen, sie könnten ja gepanscht sein. Solche Weine konnten nach Meinung des Referenten nur noch in den in unserer Region vermehrt entstandenen Straußwirtschaften ausgeschenkt werden. Das nun folgende dritte Probenweinpaar beinhaltete zwei Rotweine, nämlich einen 2016er „Jean“ Spätburgunder trocken, Barique, vom teritären Mergel Essenheimer Teufelspfad, sowie einen trockenen Cuvée Cabernet Sauvignon und Merlot Barique. Die letzte Geschichte handelte von einer Beziehungskiste der Beteiligten bei einem Probeessen für eine Geburtstagsfeier, bei dem sich eine amouröse Beziehung zwischen dem jungen Dorfmetzger und der Ehefrau des Gastgebers anbahnte. Bevor sich nun der Referent zum Ende der Veranstaltung über das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen in der Zeit seines Urgroßvaters ausließ, wurde die letzte Probe, nämlich eine 2012er Ortega Trockenbeerauslese mit einem Restzuckergehalt von 201 Gramm pro Liter präsentiert. Der Vorsitzende des Weinordens Günter Bleise dankte dem Referenten für die Gestaltung des kurzweiligen Abends und war der Ansicht, dass sich jeder der Zuhörer irgendwo in den Geschichten und Anekdoten selbst wiedergefunden hätte.
Auch lobte er die hervorragenden und exzellenten Weine, die wie schon erwähnt alle aus dem Essenheimer Weingut des Referenten stammten.
Sein Dank galt ebenso allen Protagonisten und Helfern, die sich für die Gestaltung und Abwicklung dieser gelungenen Veranstaltung verdient gemacht hatten, sowie den Verantwortlichen der evangelischen Kirchengemeinde.
Peter Behringer