Weinkolleg mit historischen Rebsorten, Teil 2
Von Peter Behringer
Der Weinorden Pfeddersheim hat in den 50 Jahren seines Bestehens sicherlich schon viel erlebt, aber ganz gewiss noch nicht den Besuch eines Papstes bei einem Weinkolleg im evangelischen Gemeindehaus.
Hier war es natürlich nicht der Pontifex, sondern der „Historische Rebsorten Papst“ Andreas Jung.
Zunächst aber begrüßte der Vorsitzende Werner Gradinger seine rund 40 Gäste, seinen Vorgänger Günter Bleise, das Ehrenmitglied Felix Zillien sowie natürlich den Referenten mit einem herzlichen Vivat Paterna – Vivat Vinum.
Andreas Jung ist Geobotaniker, Völkerkundler sowie Ampelograph. Seine Forschungsarbeit bildet die Grundlage für das Projekt „Historische Rebsorten“.
Andreas Jung begann durch jahrzehntelange Vorarbeit mit seinem Forschungsprojekt seltene historische Rebsorten wiederzuentdecken.
Wissenschaftliche Recherchen belegen das Alter einiger der uralten Rebsorten auf über 8000 Jahre. Historische Rebsorten sind damit ein Spiegel der Vergangenheit.
Bei der Verkostung des Begrüßungssektes übernahm der Referent das Mikrofon und faszinierte die Teilnehmenden mit seinem profunden Wissen über die Geschichte der historischen Rebsorten sowie mit seinem Projekt der Wiederentdeckung. Wiederentdeckt an verborgenen Fundorten, erforscht Andreas Jung auf eine besondere Art und Weise, die heute noch weitgehend unbekannten Weinreben. Er hat schon die ungeheure Anzahl von 500.000 Pflanzen visuell identifiziert. Damit interessierte Winzer ganze Weinberge dieser Kostbarkeiten anpflanzen können, werden die einzelnen Rebenfunde in der Rebschule des Winzers und Rebveredlers Ulrich Martin aus Gundheim vermehrt. Wie ihre Vorfahren, pflanzen die ersten Winzer wieder ganze Weinberge der Ursorten an. Mit ihrem handwerklichen Können entstehen spannende Weine aus den Trauben von historischen Rebsorten.
Bei den Sortennamen gibt es inzwischen einige rechtliche Probleme. Die beiden Sorten Grünfränkisch und Fränkischer Burgunder zum Beispiel wurden von Lebensmittelkontrolleuren wegen Ihres Namensbestandteils „Franken“ beanstandet
und verworfen, derzeit läuft noch die rechtliche Klärung. Die Verkostung der ausgewählten Weine erfolgte parallel zu den vielen Informationen, die der Referent mit seinem umfangreichen Wissen preisgab. Einige der degustierten und nachstehend aufgelisteten Weine fokussieren eine alte, noch unbekannte Weinwelt und stammen überwiegend aus dem Gundheimer Weingut Ulrich Martin.
2021er Gelber Kleinberger Sekt Brut: Fundort war ein etwa 350-jähriger alter Hausstock an der Mittelmosel. Bis 2007 galt diese sehr alte Rebsorte als ausgestorben. Sie gelangte schon mit den Treverern (ca. 500 Jahre vor Christi Geburt) an die Mosel. 2020er Grünfränkisch (Bormeo Verd trocken): Nicht Riesling, sondern Grünfränkisch war ein Bestandteil gemäß einer vor 300 Jahren erstellten Sortenbeschreibung der schon damals weltbekannten Wormser „Liebfrauenmilch“. Bis zur Wiederentdeckung im Jahr 2009 galt die Sorte als ausgestorben. Die Historie dieser wertvollen Rebsorte reicht bis in die Antike und fand über Nordungarn ihre Heimat am Rhein.
2022er Weisser Traminer Tonneau trocken: Diese Ursorte stammt ebenso wenig aus Tramin wie der Gewürztraminer. Bereits um 550 vor Christus verbreitete sich diese, in Persien seit mindestens 5.000 Jahren angebaute Weinsorte, im Alpenraum und danach im Rheintal. Im Wallis werden die Weine der dort als Heida benannten Weißweinsorten wieder sehr geschätzt. 2022er Grüner Adelfränkisch Tonneau trocken: Wurde schon vor über 5.000 Jahren in den Karpaten kultiviert. Seit dem Mittelalter ist die alteingesessene Rebsorte in der Mark Brandenburg dokumentiert. Die Robustheit und die gute Traubenreife macht die Rebsorte im Rahmen der Klimaerwärmung für den ansässigen Weinbau sehr wertvoll. 2020er Blauer Arbst trocken: Der Name war keine Erfindung der badischen Winzer, sondern bezieht sich auf den Stamm der Arberesh in Montenegro. Diese Sorte war eine weitere, wiederentdeckte edle Burgunder–Rotweinsorte, ein wichtiger Bestandteil in berühmten Rotweincuves aus dem Affental, aber auch im Kallstadter Möhrchen. Die Weinstöcke wurden in Deutschland übersehen, oft verwechselt und bis heute dem Blauen Spätburgunder zugeordnet. Somit war sie offiziell nicht existent. 2020er Fränkischer Burgunder trocken: Diese Burgunder-Rotweinsorte schätzte schon Karl der Große. Im Vergleich zum angeblichen Spätburgunder reifen die Trauben des fränkischen Burgunders ca. 2-3 Wochen später. Dieser edle Burgunder galt bis 2009 als ausgestorben, da er als Synonym des Spätburgunders betrachtet wurde.
Werner Gradinger beendete unter großem Beifall des Publikums die weite Zeitreise mit historischen Rebsorten, dankte dem Referenten, allen Protagonisten und Helfenden, die sich für den Ablauf der gelungenen Veranstaltung verdient gemacht haben. Sein Dank galt auch Vera Berdes für die phantasievolle Dekoration sowie der Reinigung und Spülung der Weingläser.